MACHT Theater - Theater in Schulen
Warum es Vermittlungsprojekte zwischen Freier Szene und Schule braucht
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Kultur beschäftigt uns täglich. Jeden von uns. Ob Musik, Serien, Plakate, Games oder Bücher. Die Verortung in der eigenen Lebensrealität und das emotionale Anknüpfen an Kunst, allein das ist schon ein Teil von kultureller Bildung. Die Schule ist prägender Erfahrungs- und Lebensort für alle Kinder und Jugendlichen unabhängig ihrer Herkunft und Familie und ihrer finanziellen Möglichkeiten. Kulturelle Bildung also mit Schule zu verknüpfen, Kunst in der Schule erleb- und gestaltbar zu machen, bietet kulturelle Teilhabe für alle. Das Projekt KLaTSch! Kulturelles Lernen an Freien Theatern und Schulen macht dies seit Jahren möglich. Hier lest ihr Interviewausschnitte mit beteiligten Lehrer*innen:
Antje Thielebein im Gespräch
Wie gestaltet sich die generelle Beziehung der Sprachheilschule zum Theaterspielen?
Antje Thielebein: Das Theaterspielen wird an der Sprachheilschule bereits seit sehr vielen Jahren praktiziert. Im sprachheilpädagogischen beziehungsweise sprachheiltherapeutischen Unterricht haben wir schon immer besonders das Rollenspiel ausgeübt. Die Kinder kommen mit sprachlichen Handicaps zu uns. Das heißt, sie haben oft gar nicht die Möglichkeit, gut zu sprechen oder im weitesten Sinne zu kommunizieren. Viele sind gehemmt und haben Angst. Deshalb ist es recht förderlich, wenn die Kinder in Kostüme und Rollen schlüpfen und sich auch mal hinter einer Maske in eine andere Person verwandeln können. Durch den natürlichen Sprechansatz im Theaterspiel lernen sie ihre Sprache einzusetzen.
Inwieweit können sich die Kinder mit einbringen?
Thielebein: Während der letzten Jahre sind nicht immer ganze Theaterstücke entstanden, das war auch nie unser großes Ziel. Letztendlich ging es uns nie darum, ein Produkt zu erarbeiten, welches man dann präsentieren kann. Vielmehr ging es darum, den Kindern einen spielerischen und kreativen Zugang zur Sprache zu ermöglichen. Das geschieht alles in Absprache mit den Kindern, so werden gemeinsam Texte geschrieben und szenisch umgesetzt.
Wie erleben die Kinder die Arbeit in der Theatergruppe?
Thielebein: Von unseren Kindern bekommen wir durchweg positive Resonanz auf das Theaterspielen und die Arbeit in der Gruppe. Tatsächlich beobachten wir, wie das Spiel das Selbstbewusstsein stärkt und wie stolz die Kinder auf das Erreichte sind. Auf jeden Fall ist es eine unheimliche Bereicherung für die Persönlichkeit der Kinder, die wir Erwachsenen sehen und die Kinder fühlen können. Weiterhin merken wir durch das Theaterprojekt einen Rückgang aggressiven Verhaltens. Konflikte, die vorher physisch ausgetragen wurden, werden nun durch das Theaterspielen immer mehr sprachlich beziehungsweise spielerisch gelöst. Durch das spielerische Darstellen von Konflikten in der Theatergruppe lernen die Kinder, wie man Streitigkeiten besser lösen kann. Da schließt sich der Kreis zu unserem Schulkonzept, in dem das gewaltfreie Lernen fest verankert ist.
Heidrun Lichtenberg und Katrin Ebert im Gespräch
Wie gestaltet sich der Alltag mit einer KlaTSch!-Gruppe an der Schule?
Ebert: Im Vorfeld mussten wir erst einmal sehr intensiv mit den Eltern sprechen, denn es wollten viele Fragen geklärt werden. Auch die äußeren Bedingungen mussten natürlich erst geschaffen werden – zeitliches Management, finanzielle Unterstützung und vieles mehr. Als das alles geschafft war, haben wir lange daran gearbeitet, die Erwartungen, die an uns gestellt wurden, wieder herunterzuschrauben. Denn mit unseren Schülerinnen und Schülern wollen und können wir eben kein perfektes Theaterstück aufführen. Wir gehen sehr spielerisch an das Theater heran und die Kinder nehmen es auch sehr gut auf.
Lichtenberg: Schule an sich und die Verwaltung sind sehr starr. Beispielsweise gibt es an Förderschulen keine Nachmittagskurse mehr, deshalb ist es schwierig, einen Platz für das Theater zu schaffen. So nutzen wir die Theatergruppe bei uns auch als Förderangebot. Solche klassen- und jahrgangsübergreifenden Projekte sind sehr schwierig zu konzipieren. Doch wir bieten Schülerinnen und Schülern der zweiten bis vierten Klasse die Möglichkeit mitzumachen.
Wie nehmen die Kinder das Angebot an?
Ebert: Der Zuspruch ist so groß, dass wir noch eine viel größere Gruppe aufbauen könnten. Die Kinder sind immer begeistert und wollen gerne mitspielen.
Lichtenberg: Unsere Kinder kennen die Theatergruppe und die Lehrenden sprechen Kinder an, ob sie nicht mitspielen möchten. Es melden sich immer wieder Schülerinnen und Schüler, die mitspielen möchten.
Wie verändert das Theaterspiel die Kinder?
Lichtenberg: Für mich haben sich die Veränderungen während des Intensivkurses ganz deutlich offenbart. Ganz automatisch haben sich die Kinder dort als Gruppe empfunden, die Älteren haben den Jüngeren geholfen, alle waren sehr vernünftig. Auch im Kollegium wird oft berichtet, dass die Kinder mit dem Besuch der Theatergruppe sehr viel selbstbewusster werden. Die Kinder merken eben: Ich kann das und ich kann das richtig gut.
Ebert: Man kann natürlich nicht alles, was fehlt, kompensieren. Aber Selbstsicherheit, ein Miteinander und ein sich selbst bewusst werden – das entwickeln die Kinder in der Theatergruppe sehr schnell. Sie werden wacher, lebendiger und sind stolz auf das Geleistete. Zusätzlich kann man sich immer auf sie verlassen. Auch Phasen langer Konzentration waren vor der Theaterarbeit nicht denkbar. Auch das Durchhaltevermögen und die Geduld der Kinder beeindrucken mich immer wieder. Sprache, Bewegung, Empathie, Wahrnehmen – all das steckt im Theaterspielen. Und die Kinder lernen wirklich sich selbst zu reflektieren. Wir beschäftigen uns beispielsweise mit dem Biographischen Theater und unsere Jugendlichen lernen authentisch zu sein und zu sich Position zu beziehen.
Lichtenberg: Toll ist auch zu sehen, dass die Kinder uns Lehrende als einen Teil der Gruppe sehen und nicht nur als Lehrkörper.
Liane Helmecke
Wie gestaltet sich die alltägliche Arbeit der Theatergruppe?
Helmecke: Die Burg bietet uns ein schönes Ambiente zum Theaterspielen. Doch eine Bühne mit Beleuchtung haben wir zum Beispiel nicht – da stecken wir noch in den Anfängen. Grundsätzlich trifft sich die Theatergruppe einmal wöchentlich außerhalb der regulären Schulzeit der Kinder mit ihrem Theaterpädagogen. Das erfordert natürlich Einsatz und die Bereitschaft der Kinder.
Wie nehmen die Kinder das Angebot an?
Helmecke: Durch das Ummendorfer Burgtheater sind schon viele Kinder mit dem Theaterspielen in Kontakt gekommen. Sie wissen also, was es heißt, auf der Bühne zu stehen. Nach dem ersten KLaTSch!-Jahr und den ersten Vorstellungen der Theatergruppe haben sich sehr viele Kinder gemeldet, um mitzuspielen. Nachwuchssorgen haben wir also glücklicherweise nicht.
Welche Veränderungen durch das Theaterspiel konnten Sie bei den Kindern beobachten?
Helmecke: Im Laufe der Arbeit in der Theatergruppe stelle ich immer wieder fest, dass sich die Kinder zu sehr selbstbewussten Persönlichkeiten entwickeln. Anfangs sind viele noch gehemmt und zieren sich. Doch das löst sich sehr schnell auf. Begeistert bin ich stets aufs Neue von dem großen Engagement, auch eigene Ideen einbringen zu wollen. Wenn man die Kinder nach einem Jahr Theaterarbeit dann auf der Bühne sieht, ist es überraschend, wie positiv sie sich entwickelt haben.
Wie sieht die Zukunft des Theaterspiels an der Schule aus?
Helmecke: Leider endet die Kooperation unserer Schule demnächst. Doch natürlich haben wir den Wunsch, das Theaterprojekt, in welcher Form auch immer, fortzusetzen. Ich würde mir sehr wünschen, dass wir weiterhin mit KLaTSch! arbeiten können. Doch auch wenn es nicht klappen sollte, werden wir natürlich weiter Theaterspielen. Den Kindern und der Lehrerschaft macht es große Freude und auch die Eltern sind begeistert. Ich möchte mich bei allen Beteiligten des KLaTSch!-Projektes für die tolle Arbeit bedanken und kann nur allen anderen Schulen empfehlen, sich bei diesem großartigen Projekt zu bewerben.
*Die Interviews wurden im Rahmen der Evaluation des Projektes KlaTSch! geführt.